Objekt der Monate Februar / März 2014
„Geschichte des Sancho Pansa, vormahligen Stallmeisters des Don Quicotte“,
Druck Johann Michael Teubner, Leipzig 1754
aus dem Besitz des Lesevereins Eintracht Leichlingen (gegr. 1871)
Die 1605/15 von Miguel de Cervantes (geboren um 1547 – †1616) erstpublizierte Geschichte des Don Quijote (oder auch franz. Don Quichotte) ist ein zeitloser Literaturklassiker. Noch im Jahr 2002 – also nahezu 400 Jahre nach der Erstveröffentlichung – wählten 100 prominente Autoren am Osloer Nobelinstitut das Werk von de Cervantes zum „besten Buch der Welt“.
Eine wichtige Figur der spanischen Ritterparodie, deren wohl bekannteste Szene der Kampf des vermeintlichen Ritters Don Quijote gegen Windmühlen ist, heißt Sancho Pansa – der Stallmeister des kühnen wie verrückten Adeligen.
Sancho Pansa ist in jeder Beziehung das Pendant seines Ritters: der hochgewachsene und dürre Don Quijote ist ein furchtloser Träumer, ein realitätsferner Idealist – der kleine und gewichtige Sancho dagegen ist ein ängstlicher aber schlauer Bauer, der die Narretei seines Herrn erkennt, ihm aber dennoch durch allerlei Abenteuer folgt, da Don Quijote ihm die Statthalterschaft über eine Insel verheißt.
Der Zweibänder über die außergewöhnlichen Erlebnisse des Don Quijote und seines Gefolgsmannes Sancho entwickelt sich bei den Lesern schnell zur beliebten Lektüre und zum Bestseller, der in vielerlei Sprachen übersetzt wird. Die bekannteste deutsche Ausgabe ist wohl die zwischen 1799 und 1801 übersetzte und publizierte Fassung von Johann Ludwig Tieck.
Der Druck von 1754 erzählt die Geschichte Sancho Pansas als Folgeepisode nach den Abenteuern Don Quijotes. Sancho erlangt hiernach – obwohl er weder schreiben noch lesen kann – das Amt eines Bürgermeisters (Alkalde) und Rechtsgelehrten, was für allerlei Turbulenzen und Verwirrspiele sorgt. Am Ende resümieren die Autoren, dass Sancho „die Haut näher … ist als das Hemde“, und dass „man … eher ein schönes Wams entbehren [kann], als das Brot.“[Zitate angelehnt an heutige Rechtschreibung.] Nach seinem verstrickten Höhenflug als Bürgermeister ist Sancho bald wieder authentisch und ganz er selbst – ein bodenständiger Bauersmann –, was die Autoren Benengely und Lesage als höhere Moral der Geschichte anlegen.
Erstaunlich ist vor allem die Autorenschaft von Cide-Hamet Benengely und Alain-René Lesage, die dem Werk zugeschrieben wird: Während der bekannte französische Schriftsteller Lesage (1668–1747) noch als Autor bissiger Theaterstücke, Romane und heute längst vergessener Geschichten infrage kommt, ist Benengely wohl ein Kunstprodukt oder Pseudonym – der Name stammt aus dem Ursprungsroman von de Cervantes, wo Benengely als fiktionaler Chronist die ritterlichen Abenteuer des Don Quijote erzählt. Während Cide ein Titel wie „Herr“ ist, geht Hamet auf den arabischen Namen Hamed zurück, was so viel wie „der Lobende“ heißt. Bei Benengely zeigte sich Cervantes 1605/15 besonders ideenreich, leitet es sich vom spanischen berenjena (Aubergine) ab, womit der muslimische Chronist Benengely von seinem Erfinder als Auberginenesser markiert wird, was seinerzeit als populäres Nahrungsmittel des maurischen Toledos galt.
Die deutsche Übersetzung in Fraktur ist eingangs mit einem schönen Kupferstich verziert – das Buch aus dem Bestand des Lesevereins Eintracht Leichlingen ist nicht nur alt, sondern auch selten: die Literaturrecherche über den internationalen Literaturkatalog KVK zeigt, dass der Titel – abgesehen von einer digitalisierten Fassung bei google-books – lediglich ein Dutzend Mal weltweit im Original verfügbar ist.
Im Februar 1871 im Vereinslokal Gasthof Stöver Ecke Gartenstraße-Mittelstraße gegründet, wurzeln der Verein wie seine Mitglieder im Liberalismus. Diese lesen gemeinsam einmal wöchentlich Texte und Publikation, die sie anschließend kritisch besprechen. In der Gaststätte lagert das Vereinseigentum, ein bibliothekarisch verzeichneter Vorrat an Büchern, die gegen einen Obolus entliehen werden.
Die Bibliothek besteht aus einigen hundert Büchern, Zeitschriften, Klassikern, Besinnungsschriften, Heimatbüchern und Romanen. Mit dem Aufkommen der kirchlichen und staatlichen Leihbibliotheken nach 1920 stellt der Verein seine Tätigkeiten im Kriegsjahr 1940 ein.