August 2013

Objekt des Monats August 2013

„Notgeld“ der Stadt Leichlingen, gedruckt bzw. geprägt in der Inflationszeit der Jahre 1920 bis 1923.

Leichlingens eigene Währung -  oder: „Millionäre“ wider Willen

 

Die am 20. Juni 1948 in den westlichen Besatzungszonen eingeführte und 2002 vom Euro abgelöste Deutsche Mark hätte im Jahr 2013 ihren 65. Geburtstag gefeiert. Die DM-Einführung der Nachkriegszeit brachte den Westdeutschen die lang ersehnte feste und stabile Währung - angesichts der existenzbedrohenden Preisentwicklung der 1920er Jahre ein Segen. Denn: In der Zwischenkriegszeit war jeder Bürger ein „Millionär“, allerdings ungewollt und nur im wörtlichen Sinne.

Die Inflation der Zwischenkriegszeit lässt den Geldwert ab 1920 so rasch sinken, dass die Druckmaschinen der Reichsbank den Wertverfall nicht mehr ausgleichen können. Die schon in der Vorkriegszeit einsetzende Staatsverschuldung, die Kosten des Ersten Weltkriegs und die anschließenden Reparationszahlungen an die Siegermächte befeuern die Inflation, da die deutsche Regierung für Zahlungen immer mehr Geld druckt. Der Wert des Geldes sinkt schließlich rascher, als die Druckerpressen das Geld produzieren. Sparer stehen vor dem Nichts, Brieftaschen und Portemonnaies sind obsolet. In ihrer Not drucken die Städte ihre eigene Währung - so auch die Stadt Leichlingen, die bis 1923 eigenes „Notgeld“, Münzen und Geldgutscheine auflegt, u. a. mit einem Nennwert von bis zu zweihundert Milliarden Mark (200.000.000.000 Mark) pro Geldschein (1923).

Die Stadt behilft sich wie andere Gemeinden auch mit einer eigenen Währung, um Arbeiter, Angestellte und Beamte kurzfristig zu entlohnen. Deren Not verschärft sich ab Mitte 1923 so radikal, dass die Gehälter bald in kleinen Koffern und besonderen Taschen verstaut werden müssen, um sie noch am gleichen Tage in Lebensmittel und andere wichtige Dinge umzusetzen - am Folgetag kann das Geld schon wertlos sein. So kostet am 15. Oktober 1923 etwa ein Pfund Salz unglaubliche 42 Millionen Mark. Diejenigen, die von ihrem wöchentlichen Lohn abhängen - einfache Arbeiter und Angestellte - verarmen.

Wie drastisch der Wertverfall aussah, dokumentiert auch der Geldgutschein der Stadt Leichlingen vom 1. September 1923 über hundert Millionen Mark: schon im Oktober werden die Gutscheine mit Stempeln und Unterschrift des damaligen Bürgermeisters Ernst Klein versehen, sodass sie nun zweihundert Milliarden Mark wert sein sollen. Neue Gutscheine zu drucken, lohnt bald nicht mehr - selbst die schnell aufgebrachten Milliarden-Stempel können dem rasenden Wertverfall der Hyperinflation kaum kompensieren.

Der Schnitt erfolgt im November 1923: Die Nullen werden gestrichen und die Papiermark durch die Rentenmark ersetzt. Der neue Kurs liegt bei einer Billion Mark zu einer Rentenmark. Der Gegenwert des Geldes wird von der neu errichteten Deutschen Rentenbank über eine Hypothek auf Grundbesitz von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe gesichert. Die großen Verlierer sind Sparer und Rentiers, deren Gelder damit mehr oder minder zusammengestrichen sind.

1 Billion = 1 Rentenmark: die Zeit der verarmten „Millionäre“ ist beendet. Die später als „Wunder der Rentenmark“ gefeierte Währungsreform lässt die Menschen ab Mitte 1924 schrittweise aufatmen, allerdings dauert es noch bis 1928, bis sich die Kaufkraft der Löhne erholt hat. Auch ist das „Notgeld“ noch bis 1925 im Umlauf, sodass Käufer und Händler anhand des neuen Kurses umrechnen.

Hiernach verschwindet die Leichlinger Währung aus den Portemonnaies und Kassen. Nur Sammler und Archive verwahren heute diese Artefakte einer Zeit, in der Ärzte wie der Leichlinger Dr. Oskar Heddäus sich in Naturalien auszahlen ließen, städtische Forste im Winter wegen der explodierenden Holzpreise zum Einschlag für die frierenden Bürger freigegeben wurden und Geschäftsleute wegen der stetig steigenden Preise auf Preisschilder verzichteten.

 

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