Objekt der Monate September / Oktober 2013
Aufgrund einer Sommerpause ist die Laufzeit der Ausstellung auf zwei Monate ausgeweitet.
Stoffhund auf Rädern „Molly“ (sogenanntes Rädertier), 1928
Hersteller ist ggf. die Spielwarenfabrik Aktiengesellschaft Julius Engelhardt in Rodach bei Coburg (um 1910?)
Kinder lieben Puppen und Stofftiere. Manche Spielzeuge begleiten sie über ihre gesamte Kindheit hinweg. Und weil sich so zum „Lieblingsstofftier“ eine besondere Beziehung entwickelt, werden die Spielgefährten häufig später den eigenen Kindern vermacht. Auf diese Weise überdauert das Spielzeug bisweilen viele weitere Generationen – so auch ein „Hund auf Rädern“ namens „Molly“, der seit mehreren Generationen Bestandteil einer Leichlinger Familie ist, wie Bilder aus den 1920er Jahren auf private Art und Weise nun nach mehr als 80 Jahren verdeutlichen.

Es sind glückliche Tage zu Pfingsten 1928 – eine unbeschwerte Zeit für die Leichlinger Kinder. Die Inflation der Zwischenkriegszeit ist überwunden, der zehn Jahre zuvor tobende Krieg ist eine Erzählung der Erwachsenen aus vergangenen Tagen.
In dieser unbefangenen Zeit ist „Molly“ ein wichtiger Freund und Begleiter des sechsjährigen Franz-Josef. Der „Räderhund“ folgt dem Jungen auf genieteten Blechrädern überall hin – egal ob in den heimischen Garten oder ins Leichlinger „Dorf".
Der 30 cm hohe und 40 cm lange Hund ist aus festem Stoff genäht, mit Holzspänen gefüllt, mit Fell gesteppt und sieht die Welt durch zwei knopfgroße Glasaugen. Vergleiche mit ähnlichen Spielzeugen jener Ära im Nürnberger Spielzeugmuseum legen nahe, dass es sich um ein Produkt der Spielwarenfabrik Julius Engelhardt aus Rodach bei Coburg handeln könnte. Wenn dem so wäre, ist der Hund vielleicht auch schon etwas älter als sein Besitzer und um 1910 gefertigt.
Spielzeuge wie „Molly“ sind heute ein wichtiger Hinweis für die Alltagsgeschichte jener Zeit: Die Bilder verraten etwa, dass es sich um eine verhältnismäßig wohlhabende Leichlinger Handwerkerfamilie handelte, die sich derlei Spielsachen überhaupt leisten konnte. Zwar wurde Kinderspielzeug um 1900 bereits maschinell und in Serie gefertigt – dennoch blieben Weggefährten wie „Molly“ ein Luxus, den sich nicht jeder leisten konnte.
Dem sechsjährigen Franz-Josef ist es einerlei, denn „Molly“ ist eines seiner wichtigen Lieblingstiere. Wenn der Hund in kommenden Jahrzehnten von der Familie liebevoll bewahrt wird, ist dies auch der tragischen Geschichte des Jungen geschuldet – 1943 fällt Franz-Josef als 21jähriger Soldat im Kaukasus. Die Erinnerung an ihn wird also nicht nur in Fotos und persönlichen Dokumenten wach gehalten. „Molly“ wird als Gefährte aus Kindertagen von der Familie gehütet.
Heute steht das Spielzeug vor allem für eine bewegte aber auch friedliche Zeit zwischen zwei Kriegen. Für die Kinder spielte Politik und Weltgeschehen keine Rolle – nicht nur 1928 sind ihnen Stofftiere wie „Molly“ weitaus wichtiger, als die Neuregelung der Reparationsfrage oder der Wiedereintritt Deutschlands zur Völkergemeinschaft gleichen Jahres.