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Kirschensprecher „Steini“ , Baumgruppe Kirchstraße:

„…heute hat man uns in der Baumschule aus dem Winterschlaf gerissen. Wir hatten nicht mal Zeit, uns von unseren Freunden, den Linden, zu verabschieden. Etwa 20 von uns haben sie dann Socken aus Jutesäcken angezogen und auf eine lange Reise geschickt. Als wir an diesem Ort namens Leichlingen ankamen, hat man uns getrennt und unsere Füße in fertige Löcher gesteckt. Ein paar meiner Freunde konnte ich in meiner Nähe sehen, ihnen ging es ähnlich wie mir.  Zur linken, ganz nah, war eine Hauswand und Leute beobachteten mich von ihrem Balkon. Zur rechten parkten Autos und manch einer, der ausstieg, sah mich böse an. Wären da nicht diese 3 Holzpfähle neben mir, hätte man mir schon die Autotür vors Schienbein gehauen, oder ich wäre einfach umgefallen. So richtig wohl fühlte ich mich nicht in dem viel zu kleinen Loch. Na ja… wenigstens bekam ich regelmäßig kühle Getränke gebracht.

Erster Frühling im neuen Heim, wir hatten uns inzwischen eingelebt und einfach unseren natürlichen Freunden, den Bienen, eine Freude machen wollen. Aber so sehr wir auch unsere Pracht entfalteten, keine einzige Biene ließ sich blicken. Dafür kamen Menschen mit Fotoapparaten, lächelten uns verzaubert an und machten Bild um Bild von uns. Das war schon sehr angenehm und man fühlte sich wie ein Star. Nebenan, die Kameraden von den Rotdornen, hatten dagegen reichlich Bienen zu Gast, dafür nicht so sehr das Interesse der Menschen.

                                                

Jahrelang ging es uns richtig gut,  im Frühling machten die Menschen Bilder von uns und wir standen im Mittelpunkt. Danach war es für den Rest des Jahres langweilig. Es wurde nach und nach immer enger im Pflanzloch. in der Krone konnte ich schon den Menschen auf dem Balkon beim Frühstück zusehen. Die fingen dann an, meine schönen Zweige abzuschneiden. Auf der anderen Seite rissen mir große LKW ganze Äste heraus. Eines Tages kamen Männer in orangefarbener Kleidung und sägten an mir herum. Das war äusserst unangenehm und mir war richtig schlecht danach. Ich habe seitdem Wunden, die gar nicht richtig verheilen.  Die Leute auf dem Balkon konnte ich nun auch nicht mehr sehen.

 

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